Muskelaufbau Teil 1: Der Bizeps
Umgangssprachlich gehört der Bizeps zu den Discomuskeln. Nicht selten wird dem Armbeuger deswegen eine hohe Trainingspräferenz eingeräumt. Wenn das der persönliche Wunsch ist, ist das legitim, wenn der Rest des Körpers dafür nicht vernachlässigt wird. Der Bizeps ist aber mehr. Sei es Halten, Tragen oder Ziehen, der Muskel hat nicht nur im Sport, sondern gerade im Alltag viel zu tun.

Bizeps nicht dicker als die Waden. Diese Grundregel entstand, da doch viele Trainierende gewissen Muskeln eine stark erhöhte Priorität einräumen. Dazu gehören die Brustmuskeln, die Schultern und eben der Bizeps. Man kann also sagen, alles was man im Spiegel sieht. Bei diesen Trainierenden lässt sich dann irgendwann feststellen, dass der Rücken durch das Übermaß an Brusttraining und ein fehlendes Antagonisten-Training am oberen Rücken immer runder wird. Oder der vordere Deltamuskel ist stark ausgeprägt, der hintere Delta fällt jedoch mangels Masse im Gesamtbild stark ab. Auch kommt es vor, dass der Bizeps irgendwann so dick ist – viel Training bringt dann doch auch viel – dass der Wadenumfang geringer ist als der Oberarm, was rein optisch schon fragwürdig, aber teils auch genetisch bedingt ist. Natürlich dürfen im körperformenden Muskeltraining bestimmte Muskeln forciert werden. Jedoch sollte dadurch nie die Gesamtoptik und noch viel wichtiger die Gesamtfunktionalität des Bewegungsapparates negativ eingeschränkt werden.
Die Anatomie des Bizeps. Anatomisch betrachtet ist die Oberarmmuskulatur teils ein- und teils mehrgelenkig. Die verschiedenen Muskeln und Muskelanteile des Bizeps sind in den Infokästen dargestellt. Vergessen werden dürfen beim Armtraining auch nicht die Unterarmmuskeln, die das Handgelenk beugen und strecken und dieses bei Bizeps- und Trizepsübungen stabilisieren. Gerade auch bei Sportarten, die eine hohe Griffkraft(-ausdauer) verlangen, wie z.B. das Downhill-MTB oder klassisch das Gewichtheben, sind gut ausgeprägte „Handgelenksmuskeln“ unabdingbar. Welche Muskeln zu den Unteramen gehören, siehst du in der Infobox (Abb. 1).
Hauptmuskeln der Unterarme
- M. flexorcarpiulnaris(ulnarer Handgelenkbeuger)
- M. flexorcarpiradialis(radialer Handgelenkbeuger)
- Mm. extensorcarpiradialis longus et brevus (langer und kurzer radialer Handgelenkstrecker)

M. biceps brachii (zweiköpfiger Armbeuger)
Ursprung: Sein kurzer Kopf entspringt am Rabenschnabelfortsatz, sein langer Kopf am Höckerchen oberhalb der Schultergelenkpfanne. Der M. biceps brachii ist zweigelenkig.
Ansatz: Speichenrauhigkeit.
Funktion: Beugung des Unterarms, Supination des Unterarms. Im Schultergelenk: langer Kopf hebt den Arm aus der Tiefhalte (Anteversion) und innenrotiert ihn, kurzer Kopf adduziert den Arm.
Antagonisten: M. triceps brachii
Synergisten: M. brachialis, M. brachioradialis

M. brachialis (Armbeuger)
Ursprung: Er liegt unter dem M. biceps brachii und entspringt an der distalen Vorderfläche des Oberarmknochens. Der M. brachialis ist eingelenkig.
Ansatz: Ellenrauhigkeit
Funktion: Beugung des Unterarms.
Antagonisten: M. triceps brachii, M. anconaeus (Knorrenmuskel)
Synergisten: M. biceps brachii, M. brachioradialis

M. brachioradialis (Oberarmspeichenmuskel)
Ursprung: seitlicher Rand des Oberarmbeines
Ansatz: Griffelfortsatz der Speiche
Funktion: Beugung des Unterarms; unterstützt Pro- und Supination bis Mittelstellung
Antagonisten: M. triceps brachii
Synergisten: M. biceps brachii, M. brachialis

Übungen für den Bizeps. Anbei werden isolierte Übungen zur bestmöglichen Ausprägung der Optik und des Muskelwachstums aller Armbeugemuskeln dargestellt. Entsprechende Muskelkettenübungen, bei denen die Arme und der Bizeps als Agonist oder Synergist dynamisch oder isometrisch beteiligt sind, wären z. B. Langhantelrudern vorgebeugt, Klimmzüge, Rudern sitzend von vorne, Latzug und Kreuzheben. Bei diesen Muskelkettenübungen sind generell all Arm- und natürlich die Armbeugemuskeln synergistisch involviert, durch die Mitarbeit der weiteren Synergisten und Agonisten höheren Gewichten ausgesetzt und erfahren entsprechend höhere Kraft- und auch Muskelzuwächse.
Standposition. Ich habe die Philosophie, dass ich möglichst alle Bizepsübungen im Stehen mache. Gesessen wird genug und zudem kann ich in der stehenden Position weitere Kraftimpulse „aus dem Körper holen“. Denn Spannung ist Energie und kinetische Muskelenergie bedeutet Kraft aus dem Körper holen (Rumpf, Hüfte, Tragsäulen Beine). Das bedeutet durch muskuläre Verkettungen wiederum auch mehr Kraft in der übungsbezogenen Arbeitsmuskulatur. Natürlich soll man nicht irgendwie dastehen. Abbildung 2 zeigt die korrekte Standposition in leicht gebeugter Kniestellung, mit Rumpfspannung, einer aufgerichteten Wirbelsäule, fixierten Schultern und einem angespannten (aktivierten) Rumpf.

„Scott-Curls“ an der Bank mit SZ-Stange
- Ausgangsposition: Die Sitzhöhe einer Scott-Curl-Bank ist so einzustellen, dass die Achselhöhlen bei gleichzeitig geradem Rücken auf dem Polster aufliegen. Die Armrückseite ist am Polster fixiert. Der Kopf befindet sich in der natürlichen Verlängerung der HWS. Hier wird der weite Untergriff verwendet.
- Übungsausführung: Nun wird die SZ-Stange aktiv und bewusst über die Gelenkbewegung der Ellbogen aus der vorderen Armmuskulatur heraus angehoben. Die Arme beugen dabei bis zu einem Winkel von etwas mehr als 45° von Ober- zu Unterarm an und werden von dort wieder langsam und mit Widerstand gegen das Gewicht in die Ausgangsposition herabgelassen und dabei nicht durchgestreckt. Durch die Krümmung der SZ-Stange wird im Untergriff der M.brachioradialis akzentuiert.
Diese Übung trainiert: Als isolierte Übung trainiert die Bizepsmaschine mit ihren „V-Griffen“ und entsprechend supinierten Unterarmen im schulterbreiten V-Griff beide Köpfe des M. biceps brachii mit einem Akzent auf den inneren Bizepskopf sowie den M. biceps brachialis. Im engen Obergriff werden der M. brachioradialis sowie die Handgelenksstrecker am Unterarm akzentuiert.
Hinweis: Durch die Fixierung der Arme am Polster erreicht man eine erhöhte Isolierung der Bizeps-Muskulatur, was einen verstärkten Trainingseffekt bewirkt. Natürlich kann diese Übung auch im Stehen absolviert werden.


Bizepscurls eindrehend mit KH
- Ausgangsposition: Es ist ein stabiler Stand einzunehmen. Die Kurzhanteln werden im Neutralgriff seitlich am Körper gehalten. Die Oberarme sind am Oberkörper fixiert, der Blick ist nach vorn gerichtet.
- Übungsausführung: Nun werden die Kurzhanteln aktiv und bewusst über die Gelenkbewegung der Ellbogen aus der vorderen Armmuskulatur heraus angehoben und mit Beginn der Bewegung das obere Ende der Kurzhantel nach außen gedreht.
- Am Ende der Bewegung haben die Hanteln eine 90°-Drehung vollzogen. Die Arme beugen dabei bis zu einem Winkel von ca. 45° von Ober- zu Unterarm an und werden für eine „Peak Contraction“ noch leicht angehoben. Mit Beginn des Herablassens der Kurzhanteln in die Ausgangsposition werden die Kurzhanteln wieder zurückgedreht, sodass sie sich am Ende der Bewegung wieder im Neutragriff befinden.
Diese Übung trainiert: Durch die Eindrehung werden verstärkt der M. brachioradialis und nachfolgend der äußere und dann der innere Kopf des M. biceps brachii isoliert beansprucht.
Hinweis: Eine maximale Kontraktion des M. biceps brachii ist erst dann gegeben, wenn der Oberarm, und damit die Kontraktion am Ende der Ellbogenbeugung, noch über ein Anheben (Elevation) des Oberarmes nach vorne oben bei fixierter Schulter maximiert wird. Dies ist dem Ursprung des M biceps Brachii an der Schulter geschuldet.



Bizepscurls mit gerader Stange am Seilzug im Untergriff
- Ausgangsposition: Die gerade Stange am Seilzug wird schulterbreit im Untergriff umfasst. Danach richtet man sich rückengerecht auf und nimmt einen stabilen Stand ein. Die Oberarme sind am Oberkörper fixiert.
- Übungsausführung: Nun erfolgt das Anheben der geraden Stange aktiv und bewusst über die Gelenkbewegung der Ellbogen aus der vorderen Armmuskulatur heraus. Die Arme beugen nun bis zu einem Winkel von ca. 45° von Ober- zu Unterarm an und werden von dort wieder langsam und mit Widerstand gegen das Gewicht in die Ausgangsposition herabgelassen.
Diese Übung trainiert: Als isolierte Übung trainiert diese Übung den M. biceps brachii und der M. biceps brachialis in der Gesamtheit und gilt als Masse-Übung, ebenso wie die Ausführung mit gerader Langhantel. Auch die Unterarmbeuger sind hier durch den Untergriff stark involviert. Es gilt hier auch, eine Peak Contraction zu absolvieren.
Hinweis: Generell kann der Bizeps etwas mehr Kraft pro Seite bei bilateraler (beidarmiger) Ausführung generieren. Das ist der Verkettung und Verbindung beider Arme über den Rumpf und der damit entstehenden kinetischen Energie aus dem Körper geschuldet. Ebenso verhält es sich bei allen Übungen im Stehen im Vergleich zur sitzenden Ausführung.


Bizepscurl am Seilzug einarmig im Untergriff
- Ausgangsposition: Der Einhand-Griff am Seilzug wird im Untergriff umfasst. Die Standposition ist im Ausfallschritt rückwärts zum Seilzug. Der Oberkörper ist aufrecht. Die Arme werden nicht am Körper, sondern leicht nach hinten weggestreckt positioniert, sodass der Ellbogen hinter dem Rumpf positioniert ist.
- Übungsausführung: Nun erfolgt die Beugung aus dem in dieser Position fixierten Ellbogen, ohne dass dieser nach vorne geführt wird, bis zur maximalen Kontraktion (Winkel < 45 Grad).
Diese Übung trainiert: Hier wird der Bizeps (M. biceps brachii und brachialis) in der Gesamtheit mit einem starken Akzent auf den langen, äußeren Kopf des M. biceps brachii trainiert.
Hinweis: Diese Übung ist von einer starken Isolation des Bizeps geprägt und wird bei einer geringeren Ausprägung des langen, äußeren Bizepskopfes im Verhältnis zum kurzen, inneren Kopf trainiert.


Bizepscurls mit LH im Obergriff stehend
- Ausgangsposition: Es ist ein stabiler Stand einzunehmen. Die Langhantel wird schulterbreit im Obergriff mit leicht gebeugten Armen am Körper gehalten. Die Oberarme sind am Oberkörper fixiert, der Blick ist nach vorn gerichtet.
- Übungsausführung: Nun wird die Langhantel aktiv und bewusst über die Gelenkbewegung der Ellbogen aus der vorderen Armmuskulatur heraus angehoben. Die Arme beugen dabei bis zu einem Winkel von ca. 45° von Ober- zu Unterarm an und werden von dort wieder langsam und mit Widerstand gegen das Gewicht in die Ausgangsposition herabgelassen und dabei nicht durchgestreckt.
Diese Übung trainiert: Durch den Obergriff werden die gesamten Handgelenksstrecker und der M. brachioradialis trainiert. Dieser ist für optisch starke Unterarme wichtig! Durch die Pronation der Arme wird zudem der äußere Kopf des M. biceps brachii akzentuiert.
Hinweis: Die Übung kann natürlich auch im Untergriff absolviert werden. Jedoch ist der Griff durch die gerade Stange unergonomisch, weswegen viele die SZ-Stange mit leicht supiniertem, weitem Griff bevorzugen. Beides sind aber sehr effektive Masseübungen für den Bizeps.


Hammer-Curls vor die Brust
- Ausgangsposition: Es ist ein stabiler Stand einzunehmen. Die Kurzhanteln werden im Neutralgriff seitlich am Körper gehalten. Die Oberarme sind am Oberkörper fixiert, der Blick ist nach vorn gerichtet.
- Übungsausführung: Nun werden die Kurzhanteln abwechselnd bei fixierten Ellbogen vor die Brust geführt. Aus dieser Position werden die Kurzhanteln wieder in die Ausgangsposition abgelassen.
Diese Übung trainiert: Der Kraftvektor bei dieser Ausführung vor die Brust akzentuiert den M. brachioradialis und den langen, äußeren Kopf des M. biceps brachii.
Hinweis: Durch die Mitarbeit des M. brachioradialis an der Armbeugung können bei dieser Übung im Vergleich zu isolierteren Übungen im Untergriff höhere Lasten bewegt werden und das bedeutet in der Summe auch höhere Effekte auf die Arbeitsmuskulatur. Deswegen ist für diese Übung eine Ausführung im Stehen empfohlen.


Konzentrations-Curls (UG oder Hammer)
- Ausgangsposition: Es wird eine sitzende Position auf einer Hantelbank eingenommen. Die Beine sind leicht nach außen gestellt. Der arbeitende Arm wird an der Armrückseite an der Innenseite des Oberschenkels positioniert. Der Oberkörper ist entsprechend nach vorne geneigt.
- Übungsausführung: Von hier wird nun der Arm gebeugt, bis eine maximale Kontraktion erreicht ist. Dabei bleibt der Ellbogen am Oberschenkel fixiert. Der andere Arm stützt auf dem anderen Oberschenkel ab.
Diese Übung trainiert: Den M. biceps brachii und den M. biceps brachialis. Auch die Handgelenksbeuger sind hier involviert. Bei der pronierten Version (Hammer-Curl) werden die Muskeln wie beim Hammer-Curl vor die Brust entsprechend akzentuiert bei gleichzeitig höherer Isolation.
Hinweis: Durch die Fixierung des Ellbogens an der Oberschenkelinnenseite wird der Bizeps maximal isoliert, was zu einer maximalen Kontraktion führt. Diese Übung eignet sich gut am Ende einer Übungsserie zum Austrainieren des Bizeps.


Beispiel Übungsserie Bizeps
Intensität: 70 bis 85 Prozent des 1RPM
- Aufwärmen: Langhantel-Curls im Untergriff / 20 bis 30 Wdh. / 25 bis 30 Prozent des 1RPM
- Curls am Seilzug einarmig im Untergriff: 4× 10 Wiederholungen je Seite
- Curls mit LH oder SZ-Stange im Obergriff: 4× 10 Wiederholungen
- Hammer-Curls alternierend vor die Brust: 4× 10 Wiederholungen je Seite
- Austrainieren/Faszienstretch: Supersatz Curls mit gerader Stange am Seilzug im Untergriff:
5× 5 Wiederholungen / ohne Pause mit jeweils 1bis 2 Scheiben weniger pro Satz